· 

Wie Verhalten und Gesundheit zusammenhängen

Wenn Hundetrainer als Experten in Hundefragen konsultiert werden, dann sollten diese als seriöse und kompetente Hundetrainer und –verhaltensberater professionell agieren und die Hundebesitzer in allen Punkten aufklären und unterstützen. Die meisten „Klienten“ suchen mit einem ganz bestimmten Problem (Hund reagiert aggressiv auf andere Hunde an der Leine, Hund läuft weg, sobald es zu donnern beginnt etc.) in Hundeschulen Hilfe, erwarten hilfreiche Tipps und Anleitungen zur Problemlösung. Nicht selten steht aber einzig und allein dieses Problemverhalten im Focus des Besitzers, und sonstige Verhaltensmuster werden ausgeblendet bzw. gar nicht bewusst erkannt. Der Hundebesitzer äußert konkret den Wunsch an diesem Problem arbeiten oder trainieren zu wollen. Hier ist es die Aufgabe von uns Hundetrainern, ja sogar unsere Pflicht, den „Fall“ ganzheitlich zu betrachten. Wurde dieses „Problemverhalten“ tatsächlich nur falsch erlernt oder stecken eventuell ganz andere Gründe dahinter?

 

Was meine ich konkret damit:

Jedes gezeigte Verhalten kann in einer gesundheitlichen Problematik begründet sein. Nicht nur kann, sondern ist dies tatsächlich auch meistens der Fall. In ganz vielen Fällen rühren die Verhaltensauffälligkeiten auch von gesundheitlichen Problemen (bis zu 80 %) her, sodass der Hund z.B. aufgrund von Ängsten, Unsicherheiten, die körperlich ausgelöst sein können, gar keine Möglichkeit hat, anders zu reagieren. Ebenso ist oftmals vermeintliches Aggressionspotential in der Unsicherheitsgenese beheimatet. Nicht zuletzt deshalb müssen wir uns den Hund und sein gesamtes Umfeld genauer ansehen, dürfen keinesfalls den Fehler begehen, mit einem Verhaltenstraining zu beginnen, ohne gewisse Abklärungen durchgeführt zu haben. Informationen zur Sozialisation, zu Alltagsabläufen, der Körpersprache in bestimmten Situationen (am idealsten machen wir uns darüber bei einem Kennenlernspaziergang selbst ein Bild), Bindungsverhalten zum Besitzer, Bewegungsmuster etc., um nur einige Fixpunkte zu nennen. In jedem einzelnen Punkt können sich Hinweise auf gesundheitliche Probleme zeigen, die wir selbstverständlich zur Sprache bringen sollten. Zum einen um den Besitzer darüber aufzuklären/zu informieren, zum anderen um diesbezüglich eine tierärztliche Abklärung zu empfehlen. Was soll abgeklärt werden und von wem? Durchaus eine schwierige Frage.

 

Was für mich als Tierärztin und Verhaltensberaterin selbstverständlich ist, muss eventuell bei manchen Kollegen gesondert eingefordert werden. Das Kernstück des tierärztlichen Checks ist die allgemeine klinische Untersuchung, um bereits Hinweise auf körperliche Symptome zu erhalten (z.B. Schmerzen am Bewegungsapparat, veränderte Schleimhäute, Herz-Kreislaufbeschwerden). Nicht selten liegen gerade bei älteren Hunden latente Schmerzempfindungen vor, die den Hund in seinem Wohlbefinden deutlich einschränken. Ein großer Blutcheck sollte meiner Meinung nach auch schon bei jungen Hunden ab und an gemacht werden, nicht zuletzt, um „schlummernde oder latente“ Erkrankungen aufdecken zu können. Haben wir es mit einem Hund zu tun, der unsicheres/ängstliches oder auch „aggressives“ Verhalten zeigt, ist eine Erweiterung des Blutchecks um ein Schilddrüsenprofil dringend zu empfehlen. Nahezu alle der gängigen Veterinärlabore bieten solche

Schilddrüsenprofile an, die mehrere Werte (mind. die wichtigsten 4: T4, fT4, TSH, T3) beinhalten. Die Befunde sollten immer in Kombination mit dem klinischen Bild interpretiert werden. Viele Hunde zeigen zum Beispiel Schilddrüsenwerte im unteren Referenzbereich (d.h. noch im Normalbereich), aber eine ganz deutliche klinische Symptomatik, z.B. unerklärliches schreckhaftes Verhalten oder aggressive Muster. Andere Hunde wiederum haben klinisch kaum Auffälligkeiten, liegen mit ihren Werten aber unter dem Grenzwert. Bei derartigen Veränderungen können in der Regel weitere Werte (z.B. bestimmte Antikörperwerte) nachgefordert werden, sofern dem Labor genug Einsendematerial zur Verfügung steht. Veränderte Schilddrüsenwerte müssen nicht zwingend durch einer erkrankten Schilddrüse bedingt sein, sondern können auch primär in einer anderen Problematik begründet sein, die über kurz oder lang auch die Schilddrüse belastet. Dementsprechend ist auch

hier wieder der ganzheitliche Blick gefordert, und es müssen mit unter weitere Parameter abgeklärt werden. Zum Beispiel eine röntgenologische Abklärung, ein Herzultraschall oder eine chiropraktische Untersuchung, um nur einige zu nennen. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Einzelheiten der Abklärung oder jedes einzelne spezielle Verhalten, das gesundheitlich ausgelöst sein könnte, anzuführen.

 

Die Conclusio für uns als Hundetrainer sollte sein, bei jedem kleinen „Verdachtsmoment“ einen gesundheitlichen Check zu empfehlen, eventuell um „auf Nummer sicher“ zu gehen oder aber, um durch eine adäquate Behandlung durch den Tierarzt den sprichwörtlichen Fuß in die Tür zum Verhaltenstraining zu bekommen. Denn es wäre fatal - nahezu fahrlässig - den Hundebesitzer im Glauben zu lassen, an dem Problemverhalten mittels Training arbeiten zu können, obwohl dem gezeigten Verhalten eine gesundheitliche Störung zu Grunde liegt. Dies würde nämlich einer reinen Symptombekämpfung gleichkommen, die allerdings keineswegs das Grundproblem beseitigt. In Einzelfällen kann dies auch kurzfristig funktionieren, das grundlegende Problem „sucht“ sich häufig aber ein anderes Ventil. Daher kann ich als Tierärztin und Verhaltenstrainerin jedem Hundebesitzer einen Gesundheitscheck in regelmäßigen Abständen nahe legen. Wir Menschen können uns selbst dazu entscheiden, ob wir dies bei uns machen lassen, der Hund ist – wie alle anderen Individuen in unserer Obhut auch - auf unsere Initiative angewiesen.

 

Dr. Carina Kriegl

Tierärztin und Hundeverhaltensberaterin

www.tierisch-gsund.at