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Nur mit Leckerlis ...

BEKOMME ICH MANCHE PROBLEME EINFACH NICHT IN DEN GRIFF

 

Ich hatte diesen Satz in einem Mail an mich gelesen und empfand große Lust, darüber einen Blog zu schreiben.

 

Starten wir hier mit der ersten Hälfte der Aussage: NUR MIT LECKERLIS ...

 

LECKERLIS SIND UNSERE WICHTIGSTEN VERSTÄRKER

Im modernen Hundetraining sind Verstärker dafür zuständig, dass ein Verhalten auftritt und immer stärker wird. Durch den Aufbau von Verstärkern entwickelt der Hund eine Beziehung zum Menschen. Und was heißt dann Belohnung? Für mich gilt folgendes: Gutes Verhalten wird verstärkt, der Hund wird belohnt.

 

JE MEHR VERSTÄRKER DESTO TIEFER DIE BEZIEHUNG

 

Leckerlis sind primäre Verstärker. Sie wirken ohne vorherige Lernerfahrung und erfüllen physiologische Bedürfnisse. Sie sind robust, haben eine hohe Wirksamkeit und funktionieren bei jedem Lebewesen. Aber ihre Anzahl ist beschränkt und sie verlieren an Wirksamkeit, wenn das Bedürfnis gestillt ist. Unten angeführt findet ihr eine Auflistung primärer Verstärker. Die Punkte wurden nach meinen Ideen zusammengefasst, sie bedeuten für mich alle Leckerlis im übertragenen Sinn. Denn natürlich kann es Situationen geben, in denen der Hund kein Futter annimmt.

 

Was ist das A? Was sind die Antezedenten = die Umweltgegebenheiten? Welche Emotionen liegen dem Verhalten deines Hundes zugrunde? Bei hoher Erregungslage hilft vielleicht mehr Distanz und damit auch mehr Kontrolle zum Auslösereiz. Bei Hitze kannst du den Sprung ins kühlende Wasser ermöglichen. Bei der Übernahme eines Tierschutzhundes ist das Angebot von Sicherheit und Ruhe wichtig, richtiges Ausschlafen ist angesagt. Was fällt dir für euch ein? Übrigens ABC ist unsere kleinste Einheit, um Lernen zu beschreiben, dazu bald ein eigener Blog.

 

AUFLISTUNG PRIMÄRER VERSTÄRKER

 

• Futter, Wasser, Befriedigung sexueller Bedürfnisse

• Sicherheit und Ruhe, Schlafen, Sozial- und Körperkontakt

• Gewisse Medikamente, Linderung von Hitze und Kälte

• Körperliche Bewegung, Suche nach Neuem, sensorische Stimulation

• Kontrolle = Wenn durch das Verhalten die Umwelt beeinflusst werden kann!

 

LIEBLINGS-SCHOKI-BEISPIEL UND WAS DAS MIT DEINEM HUND ZU TUN HAT

 

Wenn ich viel Schoki zu Hause habe und mich oft davon bediene, dann habe ich mich irgendwann satt gegessen; ja genau, es tritt die Sättigung ein. Das kann sogar dazu führen, dass das sonst angenehme Schoki-Essen unangenehm wird. Wenn ich hingegen lange keine Schoki daheim hatte, dann führt dieser Entzug (in der Fachsprache Deprivation) zur Aufwertung der Schoki.

 

Übertragen auf deinen Hund kann das auch heißen, dass er sich vielleicht am Trockenfutter satt gegessen hat, aber schmackhafte neue Leckerlis sein Interesse wecken können. Was kann noch neu sein? Wie übergibst du die Leckerlis? Leckerlis können so richtig lustig und spannend übergeben werden. Dazu kommt ein eigener Blog und ebenso zu den sekundären Verstärkern.

 

Aber nun zur zweiten Hälfte der Aussage: ... BEKOMME ICH MANCHE PROBLEME EINFACH NICHT IN DEN GRIFF

 

Die Hundebesitzerin ist aus den Niederlanden, arbeitet und lebt in Österreich und wohnt in ländlicher Umgebung. Der Hund ist ein männlicher Australien Labradoodle, im Mai 2021 geboren und lebt seit der 12. Woche als Zweithund im Haushalt der Halterin und ihrer Eltern.

Die im Mail angeführten Probleme habe ich in drei Kategorien eingeteilt und so gereiht, dass ich an erster Stelle das nach meiner Einschätzung einfachste Thema detaillierter behandeln werde, 2. und 3. werden kurz angeführt.

 

1. Die Leinenführigkeit mit Leckerlis (wie in der Hundeschule) funktioniert meistens sehr gut. Aber die habe ich nicht immer mit. Ich habe es versucht mit Stehenbleiben und Umdrehen, aber das ist nicht von Dauer. In verschiedenen Reels versprechen sie „wirkt nach 10 Minuten“, aber das stimmt nicht.

 

DU BIST NICHT ALLEIN

Im Telefonat habe ich gefühlt, wie der Druck von der Besitzerin nachließ, als sie merkte, dass sie mit ihren Themen nicht allein ist. Und das ist sehr wichtig, denn wir wollen souveräne wesensfeste Hunde und vor allem auch selbstbewusste Hundeeltern. Die Halterin meint im ersten Satz, dass sie ihren Hund mit einem Lockleckerli vor der Nase bzw erhöht vor der Brust gut an lockerer Leine führen kann. Leider ist das mit dem Locken halt so wie mit dem Fahren mit Navi. Wir wissen oft nicht, wie wir das Ziel erreicht haben. Genauso geht es unseren Hunden, sie stolpern dem Leckerli hinterher und wenn es weg ist, dann fällt auch das Signal zusammen und sie ziehen weiter drauflos.

 

DU BRAUCHST EINIGE HELFERLEIN

Das Locker-Leine-Laufen bitte mit CLICK UND LECKERLI verstärken, also das Leckerli erst nach dem Click aus der Futtertasche holen.

 

CAPTURING: Warum „Einfangen“ von Verhalten so hilfreich? Wir     FÖRDERN durch FINDEN, nicht durch FORDERN. Es ist eine Begegnung auf Augenhöhe, ein von deinem Hund selbstgewähltes Verhalten. Und: Wer clickt, sorgt für Dopaminausschüttung, das aktiviert das Belohnungs- und Motivationssystem! Der Clicker ist ein sekundärer Verstärker und lebt durch das Pairing mit dem primären Verstärker Futter. Daher sollten neben dem Clicker schmackhafte Leckerlis zur Grundausstattung beim Training gehören, genauso wie eine 3-5 m Leine und Brustgeschirr. Übe an deiner Leinentechnik (am besten mit beiden Händen halten) und an deiner Standfestigkeit, lass dich nicht ziehen! Gerne kann die Leine im Trainingsmodus am vorderen Ring des Geschirrs angebracht werden und im Freizeitmodus am hinteren Ring. Warum? Ganz einfach, um sich Erfolge durch plötzliches Ziehen nicht wieder kaputt machen zu lassen. Teilweise wird es notwendig sein, Ziehen zu legalisieren, vor allem dann, wenn der Erregungslevel zu hoch ist (vgl Maria Hense, Hyperaktivität, 04/2022).

 

Oft kommt dann noch das Thema der fehlenden GENERALISIERUNG hinzu, denn einige Hunde haben zwar gelernt in der Hundeschule an lockerer Leine zu gehen, aber nicht in der Umgebung außerhalb des Trainingsgeländes. Wichtig ist, frühzeitig im Training Variationen einzubauen, um gutes Verhalten zu festigen. Fange möglichst einfach mit wenig Ablenkung zu Hause an oder an einem Sonntag am Supermarkt Parkplatz und steigere dann die Ablenkungen. Denk an Ping Pong: Mach dein Training nicht immer nur schwieriger, denn wir wollen einen motivierten Vierbeiner.

 

Ewiges Stop and Go, also das von der Hundehalterin erwähnte Stehenbleiben und Umdrehen, erzeugt bei vielen Hunden Frust und ... Frust lässt das Erregungslevel stiegen. Besser ist es, einen LANGSAMEN STOPP einzuleiten und sanft in eine andere Richtung weiterzugehen. Gehe mal rückwärts, dein Hund folgt dir, sein Blick in deine Richtung (was für ein schönes Verhalten), er bekommt Futter an deiner Seite; nach einiger Zeit dreh dich seitlich neben ihn und nun kommt die Belohnung im Vorwärtsgehen an deiner Seite. Der BELOHNUNGSPUNKT ist neben dem Clickpunkt so wichtig!

 

Die Umwelt ist deine größte Konkurrentin, wie gehst du damit um? Denk an gemeinsame Spiele, aber auch daran, wie du dich bei den Lieblingshobbies deines Hundes einbringen kannst, zB beim Schnüffeln und Wittern? Mach INSELSPAZIERGÄNGE und raste, damit dein Hund auch draußen mal entspannen kann. Unsere Hunde leben in Häusern! Das ergibt EINE EMOTIONALE AUFTEILUNG DER LEBENSWELT in drinnen und draußen, wo alles mit Dopamin verknüpft ist, jetzt ist Action! Dieses klassisch konditionierte Umfeld wird von uns geschaffen! Wir sollten das vermeiden! (vgl Dirk Emmrich, 04/2022) Was kannst du tun, um DRINNEN spannender zu machen? Ja klar, ein kleiner Indoor-Trainingsbereich mit Yogamatte oder eine Schnüffellandschaft mit allen möglichen Alltagsgegenständen und einer lustigen Futtersuche. Enrichment ist das Zauberwort!

 

Brigitte Girard
Brigitte Girard

Denk an die A = ANTEZEDENTEN (UMWELTGEGEBENHEITEN) und mach es für deinen Hund einfacher, an lockerer Leine zu laufen.

 

Welche Geschwindigkeit ist für ihn heute leichter?

Kannst du ein Stück des Weges mitlaufen?

Welchen Weg könnt ihr wählen, Schotterwege sind meist leichter als Waldwege mit viel Wildgeruch.

Zu welcher Zeit seid ihr unterwegs und mit welchem Ziel?

Jeder geht grad Gassi und ihr seid am Weg zur Lieblingswasserstelle?

 

 

Da fällt es sicher schwer, locker zu bleiben. Leider sind die Leinenzieher oft selbst gemacht und das fängt schon bei den Welpen an, wenn wir sie den Großteil des Gassigangs mit Zug an der Leine spazieren lassen. Daher nimm eine leichte Leine mit kleinem Karabiner, ein Hauch von Nix, und entscheide dich für einfache Wege plus schmackhafte Leckerlis für gutes Verhalten und das von

Anfang an! Ein Blickkontakt, ein Abwarten, ein Neben-dir-Schlendern ... es gibt so vieles, wofür wir unsere Hunde belohnen und damit GUTES VERHALTEN SO RICHTIG STARK MACHEN können.

 

Hunde sind Lauftiere mit großem BEWEGUNGSBEDÜRFNIS, wo kann dein Hund freilaufen und dabei seine Wirbelsäule so richtig frei schwingen lassen? Vielleicht gibt es einen Hundeplatz in der Nähe, der für Freizeit gebucht werden kann? Bei uns gibt es das Angebot seit kurzem. Wir lassen unsere Hunde viel zu lange an der Leine ziehen und das kann Schmerzen verursachen: Zieht der Hund am Halsband sind die Halswirbel betroffen, am Brustgeschirr die Lendenwirbel (vgl Dirk Emmrich, Schmerzen, 01/2023).

 

2. Probleme wie das Hochspringen (wenn ich heimkomme) und das viele Bellen haben sich wieder verschlechtert.

 

Die Halterin arbeitet ganztags, das Hochspringen hängt mit einem erhöhten Erregungslevel zusammen. Hier kann Management helfen. Du kannst eine Sitzdose aufbauen oder auch ein Mitbringsel bei dir haben, zB einen Kauartikel. Denn Hinsetzen oder genüsslich den Kauartikel im Hundebett kauen ist ein schönes Alternativverhalten, dass ein Hochspringen unmöglich macht.

Das Bellen ist vor allem ausgelöst durch die 13jährige Zweithündin und die Situation sind vorbeigehende Hunde am Zaun. Das Verhalten wird positiv verstärkt durch Aufmerksamkeit der Menschen (schimpfen) und negativ verstärkt durch das Weitergehen der Fremden und das Gefühl der Erleichterung. Auch hier ist vorab Management das Mittel der Wahl, die Hunde vorerst nicht mehr alleine in den Garten lassen. Mit einem Futtermarker BINGO können die Hunde lernen, dass viele Leckerlis an einem bestimmten Ort fallen. Das wir in entspanntem Zustand erlernt und immer wieder aufgeladen und bei Bedarf abgerufen. Der Vorteil? Statt Dauerkläffen ist kurzes Lautgeben angesagt!

 

3. Wie kann ich die fehlende Sozialisierung nachholen? Es geht vor allem um Begegnungen mit anderen Hunden und Kindern?

 

Hier braucht es Trainingsgelegenheiten vor Ort, um Spazierengehen mit AUSWEICHEN zu ermöglichen sowie STEHEN UND SEHEN zuerst auf großer Distanz als Alternativverhalten zum In-die-Leine-preschen zu erlernen. Was du noch tun kannst? Wirf eine Handvoll Leckerlis vor deinem Hund auf den Boden, damit er seinen Kopf zum SUCHEN unten hält, bis der andere Hund vorbeigelaufen ist. Da fällt mir gerade die Leckerliübergabe CONFETTI ein, mit einer Handbewegung Leckerlis hoch und dann purzeln alle am Boden.

 

Fazit: Um neue Fähigkeiten aufzubauen und das Selbstvertrauen deines Hundes zu stärken, braucht es belohnungsbasiertes Training und Leckerlis sind wichtiger Bestandteil davon.

Anmerkung der VÖHT:

Die Blogtexte geben die individuelle Meinung und Herangehensweise der Autorin, des Autors wieder.