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Die Jagdleidenschaft unserer Hunde

Gedanken zum gesamten Bild

Hunde jagen. Nun ist das nicht unbedingt die überraschendste Erkenntnis. Warum sie das tun? Auch das zählt inzwischen – oder sollte es zumindest – zum Allgemeinwissen. Wir Menschen wollten es so, wir Menschen haben Hunde zu verlässlichen und effizienten Jagdpartnern gemacht, durch Selektion. Für jede noch so kleine Aufgabe gibt es einen Spezialisten, der, wenn man ihn lässt, seine Talente perfekt zur Geltung bringt.

Es gibt die Spurenleser und Apportierer, die Nachsucher, die Vorsteher, die Späher, es gibt die Buschierer und Stöberer, es gibt Hunde, die unter die Erde gehen, es gibt Läufer und Sprinter, es gibt die Hüter, die Treiber und die Schützer.

 

Sie alle haben großartige Talente und Fertigkeiten, von denen wir Menschen nur träumen können, die wir uns zunutze gemacht haben. Diese Talente und Fertigkeiten stehen aber auch für Bedürfnisse, für Persönlichkeit und für Emotionen, auch wenn wir mit unseren Hunden einfach nur ganz normal zusammenleben wollen.

 

Hilfe, mein Hund jagt!

Meine Antwort auf diesen Hilferuf ist inzwischen „Na hoffentlich tut er das! Sonst würd´ ich mir Sorgen machen!“ Natürlich immer mit einem kleinen Augenzwinkern, denn Hundehalter sind bei diesem Thema oft schon richtig verzweifelt. Und dennoch – selbst Hunde, die sehr entspannt und geerdet durchs Leben gehen, vermeintlich ganz ohne jagdliche Ambitionen, zeigen Jagdverhalten, eben auf eine für uns Menschen sehr angenehme, moderate Art und Weise. Das Jagen gehört einfach zu unseren Hunden.

 

Was so manchem Hundehalter wirklich zu schaffen macht, ist in erster Linie das Hetzen bzw. das Hetzen wollen aber nicht können wegen der Leine und der daraus entstehende Frust. Diese Sequenz des Jagens, das Hetzen, wird häufig als das Jagen an sich bezeichnet. Schaut man genauer hin, wird aus „dem“ Jagen eine Aneinanderreihung einzelner Elemente, die so etwas wie ein Kette bilden. Grundlage oder Blaupause für alle Spezialisten ist diese: Suchen – Finden/Anzeigen – Hetzen – Packen – Töten – Fressen.

 

Das ist die Ausgangslage dafür, was unsere Hunde können, das ist ihr Hobby, ihre Leidenschaft und genau das, was ihre Persönlichkeit zu einem ganz großen Teil ausmacht.

 

Darüber hinaus aber gibt es aber noch mehr, das hinter dem Jagdverhalten unserer Hunde steckt!

 

Jagen ist nicht gleich jagen

Ein jagender Hund wird nur allzu gern als Problem bezeichnet bzw. kann es im Zusammenleben mit „so einem“ Hund tatsächlich zum Problem werden. Nicht nur weil unsere beschaulichen Spaziergänge mit Hund so gar nicht mehr beschaulich sind, sondern auch weil wir schlichtweg an unsere körperlichen Grenzen stoßen und Schulter, Knie und Bandscheiben nicht mehr mitmachen, weil unsere Nerven blank liegen und wir andere Erwartungen hatten und wir unseren Hund nicht oder immer weniger verstehen können.

 

Auch da lohnt es sich, den Blick zu schärfen. Denn nur allzu oft entpuppt sich die Motivation hinter diesem vermeintlichen Jagen als eine ganz andere als die ursprüngliche. Die Emotionen, die das Jagen auslösen unterscheiden sich und zeigen sich als Symptom für etwas, das im Zusammenleben von Mensch und Hund aus dem Gleichgewicht geraten ist:

 

  • weil der Hund überfordert ist und deshalb jede Gelegenheit nutzt jedem hüpfenden Etwas hinterherzurennen.
  • weil es dem Hund auf seinen täglichen Spaziergängen untersagt ist, Hundedingen zu frönen, wie zum Beispiel schnüffeln, schauen, mauseln, sich wutzeln, auch mal Gas geben oder gar zu verweilen.
  • weil der Mensch mit seinem Hund viel zu schnell an viel zu kurzer Leine durchs Leben rennt.
  • weil der Mensch viel zu hohe Erwartungen an seinen Hund hat und damit Druck macht.
  • weil der Hund bereits als Welpe gelernt hat, Wald und Wild ist Halli-Galli und keinesfalls entspannte Beschaulichkeit.
  • weil der Hund überbehütet wird und sich so etwas wie eine Auszeit nimmt indem er Abstand zu seinem Menschen macht um durchzuatmen.
  • weil dein Hund gesundheitliche Probleme hat und er beim Hetzen aufgrund der Hormonausschüttung z.B. keine Schmerzen spürt.

 

Das alles können Gründe dafür sein, dass Hundehalter vermehrt den Allerwertesten ihres Lieblings zu sehen bekommen, nämlich als kleinen Punkt am Horizont oder zumindest in der nächsten Dickung im Wald verschwindend.

Das alles sind Symptome, deren Ursachen gefunden und zum Wohle von Hund und Mensch verändert werden müssen.

 

Und ja – das hört sich gar nicht nach edlem Jagdhund an! Denn dieser wäre in so einem Zustand für seinen Job, die Jagd, tatsächlich nicht zu „gebrauchen“. Jagen erfordert – auch für jene Hunde, die nicht als Jagdhunde eingesetzt werden – eine gute Balance von Aktivität und Ruhe, ein gutes Maß an wachem Interesse ohne permanent ins Extrem zu kippen.

 

Warum auch immer unsere Hunde jagen – wir Menschen haben durchaus die Möglichkeit MIT dem liebsten Hobby unserer Vierbeiner zu arbeiten und nicht dagegen.

 

Das Anzeigen von Wild und dessen Spuren – eine Einladung, die man keinesfalls ablehnen sollte!

Anzeigen sind höchst selbstbelohnend (wie auch alle anderen Elemente des Jagens – siehe oben) und finden noch VOR dem Hetzen statt. Und – wenn Hunde Wild und dessen Spuren anzeigen, dann STEHEN sie!! Und genau das kommt uns Menschen entgegen, verschafft uns Zeit und nimmt uns Druck.

 

Alles was vor dem Hetzen stattfindet, bietet uns die Möglichkeit, in die Welt des Hundes einzutauchen, sich einzuklinken indem wir die Perspektive wechseln und die Welt ein wenig aus den Augen des Hundes betrachten. Wir sollten unbedingt die Einladung unseres Hundes annehmen und mit ihm gemeinsam auf die Pirsch gehen. Weg von dem Gedanken „Jetzt steht er da und schaut und gleich ist er weg! Da hau ich ihm doch gleich vorsorglich ein Nein um die Ohren!“ hin zur Begeisterung „Du hast etwas gefunden und zeigst es mir! Ich versuch zu verstehen was es ist und zumindest kann ich dein Talent ehrlich schätzen und mich daran erfreuen!“

 

Aus trainingstechnischer Sicht bedeutet das – es geht darum, die Anzeigen deines Hundes zu bestätigen und zu verstärken, um diese Sequenz des Jagdverhaltens zu verlängern.

 

Als Ergebnis bekommst du einen Hund, der von sich aus mit dir kooperiert, der gerne anzeigt, weil es sich lohnt und weil es gemeinsam passiert! Hetzen kann Hund nur alleine. Zwar beschert das Hinterherrennen eine enorme Hormonausschüttung (hauptsächlich Adrenalin und Dopamin) aber langfristig gesehen, ziehen Hunde das Gemeinsame dem Einsamen vor. Auch das wurde von uns Menschen selektiert.

Verlängerte Anzeigen sind überaus hilfreich auf frischen Wildwechsel (auch auf den nicht so frischen), bei Anwesenheit von Wild in unmittelbarer Nähe des Weges, beim Mauseln, bei am Horizont vorbei flitzenden Autos/Joggern/Radfahrern, bei flitzenden Eichhörnchen, beim Beobachten von Fischen und noch vielem mehr. All diesen Situationen ist eines gemein – wir Menschen schätzen es sehr, wenn unsere Hunde diese Dinge wahrnehmen aber nicht gleich mit oder ohne Gebrüll hinterher sprinten.

 

Ein weiterer, sehr angenehmer Nebeneffekt ist, dein Hund wird eher am Weg bleiben und von da aus anzeigen. Und noch etwas – wenn du mit einem Hund unterwegs bist, der anzeigen darf, lernst du sehr genau, welche Wildtiere, wann und wo unterwegs sind. Darüber hinaus erkennst du an seiner Körpersprache/-haltung welche Tiere er angezeigt.

 

Interessen teilen – Partners in crime

Dieser Punkt geht für mich über das Anzeigeverhalten verstärken weit hinaus. Er schließt individuelle Vorlieben, Persönlichkeitsmerkmale, Rassemerkmale und auch Emotionen mit ein.

 

Interessiere dich für die Interessen deines Hundes! Schau nach, was er gefunden hat und akribisch untersucht! Ist es eine Spur, eine Sasse, ein Bau, ist es ein Tatort mit tierischen Überresten? Das alles kannst du mit deinem Hund untersuchen, erkunden und anschauen sofern dein Hund im Denken bleiben kann und ihr keine Wildtiere stört! Finde heraus wo dein Hund am liebsten unterwegs ist – im Wald, am Waldrand, auf Wegen, die über Wiesen führen, an Gewässern oder gar im Ortsgebiet?

 

Aber aufgepasst – es kann ganz leicht passieren, dass man selbst vom Jagdfieber gepackt wird!

 

Anti-Jagd-Training, Jagdersatz-Training, Jagdkontroll-Training oder doch ganz anders?

Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Trainingsansätzen, die sich mit dem Jagdverhalten unserer Hunde beschäftigen. Sie alle haben mehr als ihre Berechtigung, es arbeiten hier Kollegen mit jahrzehntelanger Erfahrung auf diesem Gebiet mit richtig viel Empathie, Wissen und Wertschätzung für unsere Hunde.

Wichtig ist es, dass man sich nicht von der „Überschrift“ abschrecken lässt oder Vorverurteilungen trifft. Die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Trainingsansatz sollte immer nach guter Recherche und genauem Nachfragen getroffen werden.

 

Gutes „Arbeiten“ mit der Jagdleidenschaft unserer Hunde zeichnet sich dadurch aus, dass es gewaltfrei (physisch und psychisch) und ganzheitlich ausgerichtet ist und nicht an Symptomen herumtrainiert, sich nicht gegen den Hund richtet.

Ich bin aber auch der Überzeugung, dass nicht alles für alle passt! Manchmal braucht es strukturiertes, systematisches Training, manchmal braucht es lediglich Elemente und Ideen aus einer bestimmten Richtung um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Und manchmal braucht es aber auch einen unkonventionellen, sehr „erdigen“ Ansatz um überhaupt in die Welt unserer Hunde eingeladen zu werden. Das bedeutet unter Umständen zunächst annehmen können, loslassen (am besten geht das mit einer Schleppleine), verstehen und erkennen, mitmachen, oftmals ein wenig „wilder“ unterwegs zu sein und vor allem über sich selbst lachen können, denn worum es nicht geht, ist Perfektion!

 

Ich selbst zähle definitiv zu jenen, die letztere Kategorie bevorzugen. Wann immer es möglich ist, gebe ich diese Haltung an meine Kunden weiter und freue mich über strahlende Gesichter bei Zweibeinern und Vierbeinern nach einem gelungenen Wild Walk!

 

Und wenn du jetzt neugierig geworden bist und in dir eine kleine Flamme zu lodern beginnt, zeig ich dir gerne, wie du das Feuer entfachst und du mit deinem Hund gemeinsam in die faszinierende Welt des Jagens eintauchen kannst!

 

Fotos: Titelbild Meli‘s Viewpoint, alle anderen S. Meixner

 

Anmerkung der VÖHT:

Die Blogtexte geben die individuelle Meinung und Herangehensweise der Autorin, des Autors wieder.