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Der Ganzheitliche Ansatz im Medical Training

Tierarzt- und Behandlungstraining

Medical Training, auch Behandlungstraining oder Tierarzttraining genannt, erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Beim Medical Training geht es um ein Mitspracherecht des Tieres und um freiwillige Kooperation bei diversen pflegerischen oder medizinischen Maßnahmen. Hierfür wird zuerst ein sogenanntes Kooperationsverhalten trainiert. Über positive Verstärkung lernt unser Hund dieses Verhalten zu zeigen, während wir den Schwierigkeitsgrad durch Hinzufügen verschiedener Ablenkungen steigern. Für viele Hunde reicht ein gut geplantes Medical Training aus, um eine Kooperation zu erhalten.

 

Was wenn der Hund aber nicht mitarbeitet? Was wenn er sich nicht konzentrieren kann? Hierfür benötigt es den Blick über den Tellerrand hinaus.

 

Darum benötigt es eine Ganzheitliche Herangehensweise

Der Ausdruck „Ganzheitlich“ beschreibt sehr gut, meine Herangehensweise im Training mit verhaltenskreativen Hunden. Laut Definition findet man unter diesem Wort die Erklärungen: „auf eine Ganzheit bezogen“, „über einzelne Fächer o.ä. hinausgreifend und so einen größeren Zusammenhang darstellend“. Um diesen Zusammenhang geht es auch beim Medical Training.

 

Wie auch bei uns Menschen sind das psychische und körperliche Befinden und das nach Außen gezeigte Verhalten nicht unabhängig voneinander zu betrachten. Gerät unser Hund in ein Ungleichgewicht, zeigt sich dies in, aus Menschensicht, unerwünschten Verhaltensweisen.

 

Im Medical Training ist es Ziel, dass unser Hund während einer Behandlung, ruhig in einem Kooperationsverhalten bleibt. Ein Hund, der nervös und leicht gestresst reagiert, hat nicht die nötige Ruhe in dieser Position für längere Zeit zu verharren, Geschweige denn konzentriert mit uns zu arbeiten. Wir müssen also dafür sorgen, dass unser Hund mit einer gewissen Grundentspannung ins Training startet. Um dies zu erreichen, müssen wir genau hinsehen und uns einige Fragen stellen.

 

Bekommt unser Hund genügend Schlaf? Ein Hund sollte im Durschnitt zwischen 16 und 20 Stunden Schlafen bzw. Ruhen. Bekommt er nicht ausreichend Ruhe, wird er sehr schnell unkonzentriert und fahrig, ist leicht reizbar, seine Impulskontrolle ist schnell aufgebraucht und seine Frustrationstoleranz besonders niedrig. Ein entspanntes Training wird in diesem Fall nicht möglich sein.

 

Gibt es eine Unter- oder Überforderung? Die meisten Hunde, die ich kennenlerne, sind überfordert. Wir möchten das nicht gerne hören, aber es ist in den meisten Fällen tatsächlich so. Viele Hunde haben einen Wochenplan wie ein 40 Stunden arbeitender Mensch, mit zu vielen Hobbies. Zu viel des Guten ist allerdings ungesund, denn es bietet unserem Hund zu viele Reize, die aufgrund Schlafmangels nicht verarbeitet werden können. Unser Hund zeigt sich schnell nervös und gestresst, frustriert und unkonzentriert. Eine Unterforderung zeigt sich nur in sehr seltenen Fällen, denn schöne Spaziergänge können für die meisten Hunde bereits zu einer perfekten Auslastung führen.

 

Ist unser Hund zufrieden ausgelastet? Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Punkt ist, sich zu überlegen, ob unserem Hund, die Beschäftigung, die wir ihm bieten, auch wirklich gefällt. Oder würde er sich für etwas anderes entscheiden, wenn er könnte? Während der Hund unserer Freundin viel Spaß z.B. bei der Dummyarbeit hat und ruhig und konzentriert arbeitet, kann es für unseren Hund zu aufregend sein und er zeigt sich zu sehr gestresst und kann sich nicht konzentrieren. Unser Hund benötigt somit eventuell eine andere Form der Auslastung.

 

Kommt der Hund selbstständig zur Ruhe? Dies ist ein sehr wesentlicher Punkt, denn ich erlebe immer wieder Hunde, die es nicht schaffen, sich zuhause zu entspannen. Da wird die Spielzeugkiste geplündert, Frauchen und Herrchen sekkiert und im Haus herumgelaufen, als gebe es für die Anzahl der erreichten Schritte pro Tag einen mega Gewinn. Auch diese Hunde bekommen in der Regel zu wenig Schlaf und Ruhe und zeigen somit unerwünschtes Verhalten.

 

Hat unser Hund gesundheitliche Themen wie z.B. immer wieder kehrende Ohrenentzündungen, Durchfall, Erbrechen? Ständig wiederkehrende Probleme sind meistens sekundäre Symptome. Das heißt, die Ursache liegt ganz wo anders. Häufig sind Stress oder Schmerzen die Auslöser solcher Themen. Solche „Kleinigkeiten“ können bei unserem Hund bereits zu Unwohlsein führen und ein entspanntes Training verhindern.

 

Ist unser Hund frei von Schmerzen und Blockaden im Bewegungsapparat? Jeder Hund, egal welchen Alters, kann bereits Schmerzen oder Blockaden im Bewegungsapparat haben. Unser Welpe spielt mit anderen Hunden und schlägt mal einen Purzelbaum oder läuft die Stufen zu schnell hinunter. Unser Hund springt von oder auf die Couch oder dem Auto. Hierbei kann er sich auch mal was verknacksen. Schmerzen werden leicht übersehen, da sie individuell empfunden werden.

 

Schmerzzeichen sehen außerdem bei jedem Hund anders aus. Besonders hellhörig werde ich allerdings bei Hunden mit einer Berührungsempfindlichkeit und/oder aggressivem Verhalten bei Pflegemaßnahmen.

 

All diese Antworten geben uns Rückmeldung und helfen uns zu erkennen, ob wir hier etwas verändern bzw. optimieren sollten oder nicht, damit sich auch das Verhalten des Hundes ändern und das Training Erfolg bringen kann.

 

Vorteile des ganzheitlichen Medical trainings

Medical Training hat auch außerhalb des eigentlichen Settings viele positive Eigenschaften, weshalb ich es jedem Hundehalter ans Herz legen möchte.

Durch den genauen Blick auf das Verhalten und die Suche nach den Ursachen, erkennen wir wo die eigentlichen Probleme liegen und können unseren Hund dabei unterstützen ein entspannter und gemütlicher Begleiter zu werden.

 

Außerdem werden Kooperationssignale über positive Verstärkung trainiert und sorgen für eine entspannte Atmosphäre wodurch die Beziehung zwischen Hund und Mensch gestärkt wird.

 

Durch das Mitspracherecht im Medical Training verliert der Hund seine Ängste und Unsicherheiten. Es entsteht eine Erwartungssicherheit, die dem Hund Selbstvertrauen schenkt.

 

Medical Training macht stressfreie Behandlungen möglich und ist für jeden Hund geeignet.

 

Unerwünschte Verhaltensweisen unseres Hundes zu hinterfragen und sie nicht als gegeben hinzunehmen, kann nicht nur bereichernd für die Mensch-Hund-Beziehung sein, sondern auch große Auswirkungen auf das Training haben. Auch wir Menschen fühlen uns frustriert und geben auf, wenn wir im Training nicht vorankommen. Das muss aber nicht so sein! Der Blick auf das Ganze macht es uns leichter, unseren Hund dort zu unterstützen, wo er Unterstützung benötigt und Erfolge im Training zu haben, macht Lust auf mehr.

 

Anmerkung der VÖHT:

Die Blogtexte geben die individuelle Meinung und Herangehensweise der Autorin, des Autors wieder.