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Neulich im Fernsehen… …ein Welpe lernt Apportieren

Welpe zu sein, ist heute nicht mehr so einfach wie vor 10 oder 15 Jahren. Die Erwartungen an die Hunde sind stark gestiegen - genauso wie die Zahl der Hunde. Schon beim ersten Anruf in der Hundeschule werden heute die Erwartungen klar formuliert. Hier eine kleine Auswahl, was der Welpe von heute können muss.

 

Der Welpe:
• soll in kürzester Zeit bedingungslos auf das Rückrufsignal reagieren
• soll locker an der Leine gehen
• soll harmonisch mit anderen Hunden spielen
• soll das Sofa & Teppich nicht als Toilette benutzen
• soll noch im nächsten halben Jahr mit der Therapiehundeausbildung beginnen
…und er soll apportieren.


Holen die Menschen am Telefon dann Luft, besteht die Möglichkeit als TrainerIn einzuhaken: „Für mich muss ein Welpe in den ersten Lebenswochen lernen, dass ich ihn lieb habe und dass er mir vertrauen kann. Ist diese Vertrauensbasis geschaffen, können wir dem Hund später (fast) alles beibringen.“


Die dann entstehende Stille kann man nutzen, um weiter zu erklären: „Ein Welpe muss nicht alles in den ersten Lebenswochen lernen, wir haben Zeit! Es gibt keinen Tag X, ab dem der Hund das Lernen einstellt, auch wenn die Leute das erzählen.“ Man hört dann tatsächlich am Handy, wie vielen Menschen ein großer Stein vom Herzen fällt und sie durchatmen.


Nun zurück zum „Apportierwunsch“, der im Training tatsächlich allgegenwärtig ist. Woher kommt dieser Wunsch? Fragt man nach, ist es für viele Menschen ein fixes Muster in ihrem Kopf: Hunde beschäftigt man mit Bällchen oder Stöckchen werfen. Der Hund wird so müde und ist zufrieden – so der Glaube. Gerade nach einem langen, stressigen Arbeitstag fällt der Spaziergang oft kürzer aus, aber wir haben ja noch „Bällchen geworfen“. Das schlechte Gewissen ist beruhigt. Vielen Menschen ist der Zusammenhang, dass man mit übermäßigem „Ball oder Stöckchen werfen“ einen Hund eher „pusht“ und sogar eine Sucht nach dem Ball oder Stock erzeugen kann, gänzlich unbekannt. Diese sogenannten Balljunkies können nichts mehr ohne ihren Ball tun und fordern ihre Menschen auch permanent auf, den Ball zu werfen. Nicht aus Spaß – sie sind süchtig.


Nun soll es nicht so klingen als wäre Apportieren die Reinkarnation des Bösen. Das ist es nicht. Mit Maß und Ziel kann es selbstverständlich zu einer spannenden Beschäftigung für den Hund werden. Allerdings führen wie immer mehrere Wege zum Ziel – Bessere und Schlechtere.


Was man häufig beobachten kann: der Gegenstand wird geworfen. Der Hund rennt hin und nimmt sogar den Gegenstand. Der Mensch schreit dann „brings, brings, brings…“. Ist der Hund dem Menschen zugetan, kommt er mit dem Gegenstand. Der Mensch schreit dann „aus, aus, aus…“, zerrt an dem Gegenstand und bekommt ihn schließlich. Vielleicht bekommt der Hund ein Lob oder eine Belohnung. Dann geht das „Spiel“ von vorn los. Die Worte versteht der Hund nicht. Er lernt: mein Mensch wirft Sachen und nimmt sie mir wieder weg. Also ändern viele Hunde die Strategie. Wenn sie den Gegenstand haben, laufen sie dann damit weg. Das will der Mensch natürlich nicht. Also wird die Flexi- oder Schleppleine ausgepackt und der Hund wird mit Hilfe der Leine zurückgeangelt. Spaß macht das nicht. Vermutlich ist der Hund eher verwirrt.


Als Gegenstand beim Apportieren wird häufig ein Futterbeutel benutzt – verbunden mit der Empfehlung das gesamte Futter des Welpen nur noch aus dem Futterbeutel zu geben und natürlich nur wenn er den Beutel bringt. Idee dahinter: „Wenn der Hund Hunger hat, wird er schon kapieren, dass er den Beutel bringen muss.“


Nun ein kleines Gedankenexperiment: stellen Sie sich vor Ihr tägliches Essen wird durch Ihren Lebenspartner oder Ihre Lebenspartnerin zugeteilt - gegen die Erfüllung bestimmter Auflagen. Sie bekommen die Spaghetti mit Tomatensauce nur, wenn die Hundehaare ordentlich weg gesaugt wurden oder die Fenster geputzt sind. Gruselig? Ja, ist es - auch für den Hund.


Deshalb denken Sie bitte immer daran: Futter und Wasser sind lebenswichtige Ressourcen, die jeder Hund bekommen muss und die nicht an irgendwelche Bedingungen geknüpft sein dürfen.


Es gibt schönere Wege Apportieren zu lernen. Viele Welpen tragen gerne Gegenstände herum. Sie sind sogar sehr stolz, wenn sie etwas gefunden haben und wollen es auch mit uns teilen. Nutzen wir doch diese Freude der Welpen. Wenn sie dieses Verhalten zeigen, freuen Sie sich und zeigen dem Welpen, wie toll Sie ihn und diesen Gegenstand finden. Gehen Sie dann in die Hocke, strecken dem Hund beide Hände entgegen. Eine Hand ist leer, eine Hand hat ein Leckerli. Bei diesem Angebot wird sich der Welpe gerne dem Leckerli zuwenden und den Gegenstand in die leere Hand fallen lassen, wenn Sie die leere Hand geschickt unter dem Gegenstand positionieren. Sie tauschen und nehmen nicht weg. Eine schöne Geste ist es, dies mit den Worten „Bitte“ und „Danke“ zu kombinieren. Bitte gebe mir den Gegenstand! Danke, dass Du ihn in die Hand legst, dafür gibt es eine Belohnung. Es muss kein harsches „Aus“ sein. Ein höflicher Umgang ist auch mit dem Hund ist möglich. Wenn Hunde beim Apportieren auf Bitte & Danke reagieren, zaubert dies oft ein Lächeln auf das Gesicht der Beobachter und man sieht diesen Aha-Effekt: „Ach, freundlich geht auch? Wusste ich gar nicht.“ Im nächsten Schritt legen Sie den Gegenstand weiter weg und probieren es nochmal. Das Apportieren wird also rückwärts aufgebaut. Der Welpe lernt zuerst das Abgeben und erst später das Bringen. Er lernt auch, seinem Menschen zu vertrauen. Mein Mensch tauscht mit mir. Tolles Spiel! Tragen Welpen von sich aus nichts herum, sollten Sie zunächst einen Gegenstand finden, den der Welpe spannend findet und auch gerne ins Maul nimmt z.B. ein Stofftier.


Das Werfen dieser Gegenstände ist bei einem Welpen aus gesundheitlichen Gründen nicht sinnvoll. Je weiter Sie werfen, desto schneller sprintet der Welpe oder junge Hund zum Gegenstand und macht dann eine Vollbremsung. Das geht auf die Gelenke und belastet in der Folge dem gesamten Bewegungsapparat. Besser ist es den Gegenstand zu verstecken und den Hund suchen zu lassen. Wählen Sie zu Beginn sehr einfache Verstecke. Halten Sie die Trainingseinheiten kurz und üben lieber öfter über den Tag verteilt. So bleibt es interessant.


Dies ist nur eine Idee, wie Sie einen vertrauensvollen Apport aufbauen können. Es gibt noch viele andere. Wichtig ist ein Aufbau, der die Mensch-Hund-Beziehung stärkt und nicht erschüttert durch plötzliches Zurückziehen an einer Leine oder Wegnehmen des Gegenstandes.


P.S.: Der Apportierwunsch wird auch sehr häufig von Menschen geäußert, die für ihren Hund einen Berufswunsch haben z.B. Therapiehund. Mit Therapie-, Service- oder Assistenzhunden wird häufig in Verbindung gebracht, dass sie Gegenstände wie Handys, Schlüssel oder anderes bringen sollen, um Menschen das Leben zu erleichtern oder auch einfach nur zur Kontaktaufnahme mit Menschen. Dagegen ist prinzipiell auch nichts einzuwenden. Wünschenswert wäre aber, den Welpen doch erst einmal heranwachsen zu lassen und dann zu schauen, ob er für den ein oder anderen „Beruf“ überhaupt geeignet ist. Hunde sind keine Knetmasse, die man in eine beliebige Form bringen kann. Es sind Lebewesen mit eigener Persönlichkeit, die es zu achten gilt.